Mit Harry im Auenland
Eine subjektive Filmkritik zu „Der Herr der Ringe – Teil 1: Die Gefährten“ von Wolfgang G. Wettach, Webmaster http://tolkienonline.de
In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit. Beginnt so ein Film? Sicher nicht. Auch dieser tut das nicht, denn so beginnt allein der „Hobbit“, das Kinderbuch das dem „Herrn der Ringe“ vorausging.
Und, natürlich, mit diesen Worten begann einst ein Phänomen, das seinen Weg in die Herzen von Millionen Menschen und in die Literaturgeschichte fand: Die epische Fantasy nach dem Vorbild des Altmeisters J.R.R.
Tolkien. In der Nacht vom Dienstag nun versammelten sich rund um die Welt kurz vor Mitternacht Scharen von
Menschen vor den Kinos, um endlich den ersten Teil der gigantischen Filmtrilogie zu erleben, die unter der Leitung von Regisseur Peter Jackson nun das Licht der Kinosääle erblickt. Mehr als zwanzig Jahre sind
vergangen seit dem letzten Versuch, Tolkiens Werk -in Zeichentrick- auf die Leinwand zu bringen, für den Ralph Bakshi (Der Herr der Ringe) und das eher für „Das Letzte Einhorn“ bekannte Duo Rankin/Bass
(The Hobbit, Return of the King – in Deutschland nie erschienen) verantwortlich zeichneten. Jahrzehnte in denen Tolkiens Nachfolger und NachNachfolger die Buchläden und die Kinder- und Jugendzimmer
eroberten, Nachfolger zu denen Epen wie StarWars ebenso gehören wie der berühmteste Zauberlehrling der Welt, der kurz vor seinem Ahnherrn, dem Hobbit Frodo Beutlin, die Kinokassen im Sturm nahm, mit
Mitternachtspremieren angefangen. Nun also, endlich, „Der Herr der Ringe – Teil 1“, wobei uns die nächsten Jahre noch zweimal das Duo Potter/Beutlin vor Weihnachten im Kino erwarten
wird. Ein Vergleich des Unvergleichbaren drängt sich auf. Die Erinnerung ist noch frisch an die Abenteuer des jungen Zöglings eines alten, weisen
aber humorvollen Zauberers, an dem allein das Gelingen und Scheitern letztlich hängt, an diese Gesichte von dem kleinen, eigentlich unscheinbaren Ding, das der grosse Finsterling
nie bekommen darf, weil er ansonsten seine Macht und Gestalt wiederbekommen würde, die er in einer früheren Niederlage verloren hat.
Gibt es einen Vergleich, kann es ihn geben, zwischen den beiden so unterschiedlichen Filmen aus dem selben Genre, und von der selben Firma? Zunächst einmal merkt man die
unterschiedliche Herkunft der beiden Regisseure. Daran dass Potters Chris Columbus der Regisseur von „Kevin – Allein zu Haus“ ist, hat man sich spätestestens bei der Begegnung
mit dem Zerberus Fluffy erinnert. Peter Jackson nun erinnert zumindest in einigen Kampfszenen die Zuschauer daran, dass er auch der Regisseur des Kult-Horror-Trash
Films „Braindead“ ist. Nicht nur Bildgewaltiges, sondern auch gewaltige Bilder werden dem Zuschauer da zum Teil ins Gesicht geschleudert... abgeschlagene Köpfe mit spritzenden Hälsen inklusive.
Seinen eigentlichen Zauber aber entfaltet „Der Herr der Ringe“ nicht in den Kämpfen und eindrucksvollen Schlachten, denen man anmerkt, dass zuvor schon „Die Mumie“
zurückgekehrt ist, sondern in den Szenerien und immer wieder den im Wortsinne magischen Landschaften. Tolkien selbst hat in seinen Büchern den Landschaftsbeschreibungen viel
Raum gegeben, mehr als manch ungeduldigem jungen Leser von heute lieb sein mag. Jackson aber versteht es, diese Landschaften sichtbar und ihren Zauber begreifbar zu
machen. Plötzlich versteht man auch, wieso die Regierung von Neuseeland 4 ½ Millionen Mark auszugeben plant, um das Land der Filmschauplätze und Drehorte als Heimat
Mittelerdes zu bewerben und bekannt zu machen.Und während Schottland noch dafür streitet, in einer touristischen Karte der „Harry Potter“ Welt überhaupt vorzukommen, wo
doch das Zauberschloss Hogwarts eigentlich in Schottland liegt, schwärmen Reisereporter der „Zeit“ oder der „Süddeutschen“ längst vom Zauber des neuseeländischen Mittelerde.
Ob man Verfilmungen von Romanen mag oder nicht – diese Landschaften, diese Szenerien (auch die, deren Aufbauten in Wirklichkeit längst wieder abgetragen sind) muss man auf der
grossen Leinwand gesehen haben, und wird Jackson als Tolkien-Fan allein dafür schon lieben lernen. Das aber ist eigentlich der grösste Unterschied der beiden Filme: Anders als bei Potter,
wo man unter den Augen J.K.Rowlings höchstens durch notwendige Kürzungen von ihrem Buch abgewichen ist, ist „Der Herr der Ringe“ keine Verfilmung der Romane – sondern
eine eigenständige Neuerzählung der gleichen Geschichte mit den Mitteln des Films. Und so wie zwei Menschen das selbe Erlebnis nie gleich erinnern und erzählen, so gibt es auch hier
teils deutliche Abweichungen, die nur hartgesottene Puristen stören werden. Diese sollten sich lieber freuen, dass auch neuerfundene Dialoge mit Elben in der korrekten Elbensprache
des Professors Tolkien geführt werden, als zu beklagen, dass im Film die Frauen (vor allem 'Arwen' Liv Tyler) von Anfang an eine grössere Rolle spielen als in den weitgehend
frauenfreien Romanen. Warum etwa sollte Jackson nicht schon zu Anfang die fröhliche Rose einführen, die am Ende der Romane die Gemahlin des treuen Gefährten Sam
Gamdschie wird? Auch eine starke Kate Blanchett sorgt, königlich wie in „Elisabeth“ aber eng am Buch, dafür, dass die Frauen hier präsent sind und in Erinnerung bleiben.
Was sagen die Fans? Erste Reaktionen nach der Premiere waren einhellig: „Ja, das passt“ und „Den muss ich mir öfter ansehen.“ Mehr war von vielen, die die Bilderflut und die
unglaublichen Eindrücke dieses Kino-Erlebnisses erst in den Stunden oder Tagen danach verarbeiten müssen, nicht zu hören, auch wenn manch einer diesen oder jenen Aspekt der
Buch-Erzählung vermisst haben mag. Aber dies ist keine Abverfilmung der Bücher. Peter Jackson hat einen Beitrag zu Tolkiens Welt geschaffen, der weit mehr ist als eine
Vorlage für die Figuren in den Kindermenüs eines Hackfleisch-Braters und in Eiern aus Kinderschokolade, mehr als der Anlass für eine Vermarktung der Zusatzartikel in den
Kaufhäusern. Diese Filme werden bleiben, zumindest in den Herzen der heimlichen Bewohner von Mittelerde, der Fans.
Wolfgang G. Wettach, Webmaster http://tolkienonline.de
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[zu einer englischen vergleichenden Kritik eines 12jährigen
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